Den eigenen Stil finden
Es gibt diesen Moment, in dem jede und jeder von uns innehalten muss. Die Worte stehen still, der Kopf ist voller Ideen, aber nichts scheint richtig zu passen. Die Geschichte, die man schreiben will, schwebt irgendwo im Raum – greifbar und doch so weit entfernt. Und genau hier stellt sich die Frage: Wie finde ich meinen eigenen Stil?
Was ist Stil eigentlich?
Stil ist nicht nur die Art, wie du schreibst. Es ist auch, wie du denkst, wie du die Welt siehst, wie du deine Gedanken formst und sie in Worte kleidest. Dein Stil ist wie deine Handschrift – unverwechselbar und einzigartig. Er zeigt, wer du bist, was dich bewegt, woran du glaubst. Doch genau das macht ihn so schwer zu greifen: Es geht um dich.
1. Finde deine Stimme
Bevor du deinen Stil findest, musst du deine Stimme finden. Frag dich: Wie sprichst du? Wie erzählst du Geschichten? Magst du kurze, klare Sätze oder ausschweifende Beschreibungen? Bist du ironisch, poetisch, sachlich oder emotional? Es hilft, dir diese Fragen ehrlich zu beantworten und nicht zu versuchen, jemand anderes zu sein. Denn Leserinnen und Leser merken schnell, ob du authentisch bist.
Tipp:
Sprich laut, bevor du schreibst. Stell dir vor, du erzählst die Geschichte einem guten Freund. Wie würdest du sie formulieren? Welche Worte würdest du wählen? Dein gesprochenes Erzählen kann ein Tor zu deinem eigenen Stil sein.
2. Lies viel – und analysiere
Lesen ist nicht nur Inspiration, es ist auch Lernen. Schau dir an, wie andere schreiben. Lies große Autoren und unbekannte Namen. Lies in Genres, die du liebst, und auch in solchen, die du weniger magst. Aber lies nicht nur – analysiere.
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Wie beginnen sie ihre Geschichten?
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Wie beschreiben sie Figuren?
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Wie bauen sie Spannung auf?
Du wirst schnell merken, welche Stile dich anziehen und welche dich kalt lassen. Vielleicht magst du die kühlen brutalen Sätze von Sebastian Fitzek, die bildhafte Beschreibung von Heinz Strunk oder die kumpelhafte Erzählung von Stephen King. Lass dich inspirieren, aber achte darauf, nicht zu kopieren. Dein Stil ist eine Mischung aus all dem, was du liebst – und was du selbst hinzufügst.
3. Schreibe viel – und probiere aus
Der eigene Stil kommt nicht über Nacht. Er entsteht durch Versuch und Irrtum. Schreibe, schreibe, schreibe – und lass dich nicht entmutigen, wenn nicht alles funktioniert. Probiere verschiedene Perspektiven aus: Schreib in der Ich-Form, in der dritten Person, als Beobachter oder als Teil der Geschichte. Spiele mit der Sprache: Verwende kurze Sätze, lange Sätze, Dialoge, poetische Passagen.
Tipp:
Setz dir kleine Herausforderungen: Schreibe eine Szene nur mit Dialogen. Beschreibe einen Moment ohne Emotionen zu nennen. Schreibe eine Geschichte ohne ein einziges Adjektiv. Diese Übungen helfen dir, deinen Stil zu verfeinern und neue Facetten zu entdecken.
4. Vertraue deinem Instinkt
Dein Stil ist oft schon da, bevor du ihn bewusst wahrnimmst. Es sind die Worte, die dir intuitiv in den Sinn kommen, die Bilder, die sich in deinem Kopf formen. Vertraue darauf. Schreib nicht so, wie du glaubst, dass andere es erwarten, sondern so, wie es sich für dich richtig anfühlt.
Leserinnen und Leser wollen keine Perfektion. Sie wollen Authentizität. Wenn du ehrlich schreibst, wird dein Stil automatisch durchscheinen.
5. Lass dich nicht beirren
Es wird immer Menschen geben, die sagen: „Das klingt zu einfach.“ Oder: „Das ist zu kompliziert.“ Oder: „Warum schreibst du nicht wie [Name eines erfolgreichen Autors]?“ Lass dich davon nicht ablenken. Dein Stil wird niemals jedem gefallen – und das ist gut so. Dein Ziel ist nicht, alle zu begeistern, sondern die richtigen Leserinnen und Leser zu finden, die deine Stimme verstehen.
6. Bearbeite mit Bedacht
Stil entsteht nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Bearbeiten. Lies deinen Text laut. Hörst du den Rhythmus? Fließt der Text, oder stolpert er? Hast du zu viele Füllwörter? Zu viele Beschreibungen? Oder zu wenige? Bearbeiten heißt, den Stil zu schärfen, nicht ihn zu glätten. Lass Ecken und Kanten stehen, wenn sie zu dir passen. Aber entferne, was überflüssig ist.
Tipp:
Lies den Text mit den Augen eines Lesers, der dich nicht kennt. Was fällt auf? Was bleibt im Gedächtnis?
7. Hab Geduld
Deinen eigenen Stil zu finden, ist ein Prozess. Es ist wie das Wachsen eines Baumes: Du pflanzt einen Samen, gießt ihn, gibst ihm Licht und Zeit. Dein Stil entwickelt sich, je mehr du schreibst, je mehr du lebst, je mehr du dich mit Sprache auseinandersetzt. Vielleicht findest du ihn nicht in einem Jahr. Vielleicht ändert er sich auch mit der Zeit. Das ist normal. Schreib einfach weiter.
8. Sei stolz auf deinen Stil
Dein Stil ist dein Markenzeichen. Es ist das, was dich von anderen unterscheidet. Er ist wertvoll und einzigartig, selbst wenn er nicht perfekt ist. Sei stolz darauf, denn niemand sonst kann so schreiben wie du.
Fazit
Den eigenen Stil zu finden, ist eine Reise, die nie wirklich endet. Es ist ein ständiges Ausprobieren, Verfeinern und Lernen. Aber das Schöne daran ist: Es gibt keinen falschen Weg. Jeder Satz, den du schreibst, bringt dich näher zu dir selbst. Und wenn du ehrlich bist, wenn du deinem Instinkt folgst und dir erlaubst, Fehler zu machen, dann wird dein Stil eines Tages unverwechselbar sein – so wie du.
Also: Schreib. Lies. Probier aus. Und vor allem – hab Geduld mit dir. Die Zeit, die du investierst, wird sich lohnen.